JWL – KENYA

Seitwerk reist nach Kenia.

Was wir hier machen? Wir bauen einen Onlinekurs der Jesuit Worldwide Learning (kurz: JWL) für Studenten im Lager auf. Für Menschen, die dort teilweise in der dritten Generation geboren werden, und somit die Möglichkeit haben etwas an ihrer ungeschuldeten Situation zu ändern. Mit im Gepäck haben wir Karen von JWL, Instructional Designerin und zuständig für den Aufbau der Onlinekurse und deren Inhalte. Wie wird es wohl sein im Lager? Wie sind die Menschen dort? Können wir am Ende wirklich etwas bewegen? Wie werden wir aus dem Lager zurückkommen? Werden wir die Welt danach anders sehen? Fragen über Fragen, und hier könnt ihr unsere Eindrücke und Erlebnisse verfolgen.

Beginnen wir also mit dem Aufbruch unserer Reise – oder eher, dem Abend davor

30.09.2017 – 23 Uhr

Wildes Getümmel im Whatsapp-Chat. Wer hat wie viel Gepäck und wie weit überschreitet er damit das Maximalgewicht?

Bis zu den späten Abendstunden wird wild darum gewetteifert, wer es schafft, die 20 kg Gesamtgewicht (Handgepäck + Reisegepäck) einzuhalten. Spoiler-Alarm: KEINER.

01.10.17 – 5.42 Uhr

Jan: „Komisch, eigentlich sollte Felix doch hier sein? Wir müssten schon seit einer  Viertelstunde unterwegs nach Uffing sein. Ich ruf mal an…“

Felix: „Aaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhh…..wieso zur Hölle ist der Snooze auf eine Stunde gestellt?“

Raphaela: „Ach, wie schön, das Kind will mit zum Flughafen, will die Mutter mal beim Heulen sehen!“

Guter Start in die Reise, kurze Zeit später dann die Zusammenkunft am Parkplatz bei der Autobahnausfahrt Seeshaupt. Entspannung. Dann die „befreiende“ Nachricht: „Ihr Anschlussflug in Frankfurt hat 6 Stunden Verspätung.“ Grandios.

Ankunft Münchner Flughafen, es kommt, wie es kommen musste: Raphaela weint. Plottwist: Fabienne auch.

Anschließend Ankunft in Frankfurt – läuft bisher. Aber was sollte man sechs Stunden lang an einem Flughafen tun?

Hier einige Vorschläge:

  1. Essen und Reden
  2. Arbeiten
  3. Zeichnen
  4. Schlafen
  5. Fotografieren

Wer die Beteiligten kennt, kann erahnen für was sich entschieden wurde. Richtig. Vorschlag eins wurde von allen wahrgenommen, Vorschlag zwei für etwa zehn Minuten in Betracht gezogen, Nummer 3 dann entschieden von einem verfolgt:

 

Der Pole also widmete sich dem Zeichnen, hier sein Ergebnis einer „Werbe-Plakat-Studie“:

Raphaela, fleißig wie eh und je, versuchte sich hingegen an der Arbeit:


Und einer musste ja schließlich alles dokumentieren.

Was folgte, war ein knapp neun stündiger Flug nach Nairobi. Was auf diesem passiert ist, ist im wesentlichen eine Wiederholung der vorangegangenen Vorschläge, plus eins: Verpasste Kinofilme ansehen.Viel interessanter dagegen gestaltete sich die Ankunft in Afrika. Nach einer kleinen Ewigkeit des Anstehens bei der örtlichen Passkontrolle, gelangten wir Gott sei Dank nach wenigen Minuten bereits an unser Gepäck – das Equipment ist uns also geblieben. Unser freundlicher Fahrer empfing uns trotz später Stunde mit einem Lächeln, verfrachtete uns in einen kleinen Transporter und brachte uns sicher ins Hotel. Das zwischen den dekorativen Zebrafiguren entlang der Straße am Flughafen plötzlich lebendige Vertreter dieser Tierart auftauchten, versüßte uns allen die Ankunft natürlich. Dass wir unser Hostel aber nach 15 Minuten, nach einem kleine Frühstück, wieder verlassen mussten, da uns dank der Verspätung kaum mehr Zeit blieb, um unseren Anschluss am Wilson Flughafen nach Kakuma zu erwischen, weniger. Neuer Fahrer, neuer Wagen, ab nach Wilson. Der kleine Flughafen bot uns dann das erste richtige „Abenteuerfeeling“. Denn beim Anblick der zahlreichen Kleinflugzeuge, die ebenso aus einem Indiana Jones Film stammen konnten, wurde die Vorfreude auf den letzten Flug gerade zu gesprengt, oder in Raphis Fall: die Nerven.

Wider der alptraumhaften Vorstellung gestaltete sich jedoch auch dieser kurze Reiseabschnitt als harmlos (besonders da unsere Maschine doch eine etwas größere war, die zumindest stabil wirkte) und bot uns noch einige schöne Anblicke über die afrikanische Landschaft. Achja, wir hatten mittlerweile den 2.10.17 – von richtigem Schlaf konnten wir nur vage Träumen.

Von der Ankunft an waren unsere Eindrücke vielfältig, und jeder von uns wird euch gleich mehr davon aus seiner Sicht erzählen. Zum restlichen Tagesablauf sei aber so viel gesagt: Hatten wir die Arbeit am Flughafen noch erfolgreich verdrängt, kam sie jetzt umso unausweichlicher daher, und diesmal mit der extra Portion Schlaflosigkeit. Den widrigen Voraussetzungen zum Trotz wurden die ersten Interviews aufgenommen…

…dafür haben wir den erste Abend mit einheimischen Bier gefeiert, um danach wie ein Stein in unser Bett zu fallen.
So weit, so gut…

Hier die persönlichen Eindrücke der Anreise und des ersten Tages:

FELIX: Ich vermisse meine kleine Familie schon auf dem Weg zum Flughafen, habe aber jede Menge Bilder auf meinem Handy die mich über die Zeit retten werden. Mein letztes mal Afrika ist 15 Jahre her, und in Kenia war ich noch nie. Dementsprechend gespannt bin ich, was mich erwarten wird. Als wir dann zum Landeanflug ansetzen, wird mir das Ausmaß von fast 100.000 Flüchtlingen erst so richtig bewusst. Kakuma ist riesig. Die Ausdrücke in den Gesichtern der Menschen erzählen mehr als ein Foto oder Film je erzählen könnte. Ich fange an ein wenig mehr zu verstehen, was es wirklich bedeutet ein Flüchtling zu sein und ich fange jetzt schon an zu hadern. Wir werden nichts verändern können, es bleibt nur die Hoffnung, dass wir dabei helfen können, dass einige Leute hier etwas verändern und dann hoffentlich verbessern.

RAPHAELA: Endlich wieder ein Stempel im Reisepass! Und die Flugangst, die kann mich mal. Aber meine Familie, mein Pubertier, meine Liebe und die Tierchen vermisse ich jetzt schon. Deshalb beschäftigt mich, seit dem ich im Kakuma-Camp bin, besonders eine Frage: „Wie muss es sein, alles hinter sich zu lassen, um Schutz zu suchen?“ Natürlich gehen mir hier noch viel mehr Sachen durch den Kopf, bei all den Eindrücken die so fremd sind. Zunächst muss ich mich und meine neue Weltansicht aber erstmal sortieren. In einem bin ich mir aber sicher, es rentiert sich allemal zu helfen,  denn die  Menschen hier sind motiviert und wollen etwas an ihre Situation ändern. Was bestimmt nicht einfach ist!

JAN: Was soll ich sagen? Die Anreise war trotz Verspätung entspannt und das abenteuerliche Feeling beim Flug von Wilson nach Kakuma war für mich einfach genial. Trotzdem trifft einen die Realität der Welt mit einem extra schweren Hammer, wenn man das Flüchtlingslager erreicht. Es ist wie eine Parallelwelt, die unterschiedlicher zu unseren kaum sein könnte. Die braun-graue Erde ist gesprenkelt von Müll, Blechhütten und lose aus Ästen, Lehm und Schrott gezimmerte Verschläge säumen die Straßen. Zahllose Menschen tummeln sich dazwischen und gehen ihrem kargen Tagesablauf nach. Selbst bemalte Schilder für Unterkünfte, die optimistisch „Hotels“ genannt werden, versuchen Leute einzuladen. Die Blicke der Menschen sind gemischt. Von Argwohn und Feindseligkeit bis zu Neugier und Freude ist alles dabei. Besonders neugierig dabei sind, wie erwartet, die Kinder, die einem enthusiastisch „How are you?“ entgegenrufen und sich besonders freuen, wenn man ihnen antwortet. Diejenigen die wir treffen und mit denen wir sprechen, sind uns glücklicherweise durch und durch freundlich gesinnt. Ja sie freuen sich sogar, dass wir hier sind und erzählen uns von ihrem Leben hier im Lager. Es ist eine andere Welt, und sie macht mir klar, wie lächerlich einige Sorgen sind, die ich so habe. Und vor allem: Wie verdammt gut es uns in Deutschland geht.

Raphaela

8 comments

Submit a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert