SEITWERK in KENYA – Tag 2 und 3
Nach der verzögerten Anreise und dem ersten einheimischen Biergenuss, ist das Team schon voll bei der Sache.
Unsere erste Nacht gestaltete sich für jeden unterschiedlich. Das Bier half zwar beim Einschlafen, konnte jedoch nicht verhindern, dass der ein oder andere in der Hitze Afrikas trotzdem mitten in der Nacht aufwachte – teilweise mehrfach.
Dennoch genossen wir mehr Schlaf als bei unserer Anreise und konnten so nach einem ausgiebigen Frühstück sofort zu den ersten Interviews starten. Der Aufbruch wurde schlagartig gestoppt, als einer von uns seinen Besucherausweis im Zimmer vergaß. Ohne diesen kommt man zwar raus aus unserem Camp, allerdings nicht wieder rein. Also eine fixe Kehrtwende gemacht, zurück zu den Zimmern, Ausweis eingesteckt und wieder auf zu den ersten Interviews!
SPOILER ALARM: Das sollte noch öfter passieren.
Zunächst durften wir die Basket- und Volleyball-Coaches interviewen, die uns über die Erfahrungen und Herausforderungen ihres Alltags berichteten, aber auch über ihre Motivationen und Wünsche. Bei einem waren sie sich alle einig:
Sport ist ein elementarer Bestandteil der Gesellschaft und schafft nicht nur Einigkeit und Frieden zwischen den unterschiedlichen Kulturen und auch Geschlechtern, sondern bietet den jungen Menschen auch eine Perspektive.
Die Interviews meisterte unser Team gekonnt und routiniert – zumindest so lange bis die Hitze die zweite Kamera wiederholt in die Knie zwang und dann schnell gewechselt wurde. Immerhin nur die Zweitkamera – verloren ging uns also nichts.
Im Anschluss ging es erstmal zum Mittagessen. Die nächsten Interviews würden uns in ein etwas heikles Abteil des Flüchtlingslagers, nämlich zu den Ecken der LGBT-Gesellschaft führen. Schnell das Mittagessen verschlungen, Ausrüstung gepackt und ab in den Wagen. Erneut stehen wir vor den Toren und – drehen wieder um, denn da hat doch tatsächlich wieder jemand seinen Ausweis vergessen. Dann jedoch der Aufbruch zur LGBT-Community in Kakuma. Auch oder gerade besonders hier hat die homosexuelle Gesellschaft mit Anfeindungen zu kämpfen, sodass sogar Zäune aufgestellt wurden, um sie vor Übergriffen zu schützen. Neben Fußball, einem allgemein sehr beliebten und verbreiteten Sport im Lager, haben sich dort aber interessanterweise auch Sportarten entwickelt, die man eventuell nicht erwartet hätte. Nämlich Boxen und Bodybuilding. Besonders diese beiden Sportarten haben mit dem Problem zu kämpfen, nur wenig bis gar keine Ausrüstung zu besitzen. So konnten die Boxer immerhin einige Handschuhe und ein einziges paar von Box-Pratzen ihr eigen nennen.
Die Bodybuilder dagegen trainierten mit selbst gebastelten Gewichten, bestehend aus zementgefüllten Dosen und Eimern, in die eine Eisenstange zur Verbindung gesteckt wurde. Eine einmalige Erfahrung und ein Zeichen für das Engagement der Leute, die ihrem Sport mit einem Ehrgeiz nachgehen, der bewundernswert ist. Kein Wunder also, dass sich einer von uns sogar dazu hat überreden lassen, die selbstgemachten Gewichte auszuprobieren.
Nach diesen einprägsamen Begegnungen war unser zweiter Tag auch vorbei und wir widmeten uns noch dem ersten Blogeintrag – den ihr hoffentlich alle gelesen habt!
Tag 3 – das Prozedere bleibt ähnlich: Eine Mütze voll Schlaf, ein „ausgiebiges“ Frühstück und dann ab in den Wagen, den einer unserer Fahrer gekonnt über die holprigen Straßen manövriert. Hätte nicht schon wieder jemand seinen Ausweis liegen lassen. (Fairerweise muss gesagt werden: Es war NICHT dieselbe Person)
Also nochmal umgekehrt, Ausweis geholt und ab dafür! Erster Stopp: Interviews mit einigen der „Youth Leaders“, die sich besonders verstärkt um die Jugendarbeit kümmern. Darunter auch unsere erste Dame, die sich einem Interview stellt. Eine kecke junge Frau, die auch die kritische Karen überzeugen konnte. Unser Team ist immer wieder verblüfft von dem Elan und der Hoffnung, mit der einige dieser Personen in diese Interviews gehen. Gleichzeitig stellt man sich natürlich die Frage, inwiefern unsere Arbeit diesen Menschen letztendlich wirklich zu Gute kommen wird. Wir können nur hoffen.
Unser pünktlicher Fahrer sammelte uns schließlich wieder ein und brachte uns zunächst zu einem weiteren Absolventen des JWL-Programms, der mittlerweile seine eigene Hühnerzucht betreibt. Der engagierte Mann, der quasi aus dem Nichts eine kleine Farm geschaffen hat, empfing uns mit seiner Familie und zeigte uns stolz seinen Hühnerstall. Diesen hatte er intelligent mit einem mehrlagigen Dach ausgestattet, sodass das Innere des Stalls nicht zu warm für die Hühner wurde. Er zeigte uns enthusiastisch das Futter und die Medizin, die er nutzt, um seine Tiere zu versorgen und erzählte uns etwas über die Art und Weise, wie er sein Geschäft aufgebaut hat und betreibt.
Kurz darauf ging es dann endlich in Richtung Camp, zu unserem wohlverdienten Mittagessen. Naja, fast. Denn unterwegs hatten wir einen platten Reifen, was zur Folge hatte, dass wir mitten im Lager links (ja – in Kenia herrscht Linksverkehr!) ranfahren mussten, um dann von einem anderen Wagen abgeholt zu werden. Dass wir dafür eine ganze Gruppe Menschen dazu verdammten ihren Weg zu Fuß fortzusetzen, da wir ausgerechnet ihre Mitfahrgelegenheit zugesprochen bekamen, war uns mehr als unangenehm. Daran konnten auch die Versicherungen unserer örtlichen Guides nichts ändern, dass dies absolut in Ordnung sei.
Die Mittagspause gestaltete sich diesmal allerdings kürzer als sonst, denn Karen musste zu einem Alumni-Treffen (Alumni = Absolventen / Ehemalige), bei dem wir natürlich einige von diesen interviewen sollten. Falls ihr euch fragen sollten, was uns denn schönes zum Mittagessen kredenzt wird, so viel sei gesagt: Unsere Fleischliebhaber würden hier verhungern, denn das durchaus schmackhafte Essen war bisher ausschließlich vegetarisch. Von Reis, Kartoffeln und Nudeln mit Bohnen, Gemüse oder ähnlichen, bis zu einer Art kenianischen Polenta wird uns hier gute einheimische Kost geboten. Das es dazu stets eine Chillisauce gibt, erfreut uns natürlich ebenfalls. Wir können uns also nicht beschweren, vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass nur wenige Meter weiter ganze Familien vermutlich gar kein Mittagessen bekommen.
Während Karen ihr Alumnitreffen hatte, brachte uns unser Fahrer noch in die „Mogadishu-Vorschule“, ein Erlebnis, dass vermutlich eines der Highlights bleiben wird. Wer an seine eigene Schulzeit zurückdenkt, wird sich wohl kaum an freudige Gesichter erinnern, sondern eher an Langeweile, Unlust und Müdigkeit. Völlig anders dagegen hier. Nicht nur, dass die Kinder, wie angekündigt, fasziniert auf unser Equipment starrten und uns freudig begrüßten und nach unserem Wohlbefinden fragten („HOW ARE YOU?!“). Als wir kurz einer Klasse zum Thema „Peacekeeping“ beiwohnen durften, konnte man jedem ansehen, wie viel Spaß und/oder Interesse er daran hatte zu lernen. Aufmerksam wurde dem Lehrer zugehört, sofern da nicht diese seltsame Truppe mit ihren technischen Geräten rumsprang und wie wild Bilder von ihnen schoss.
Nach diesem grandiosen Erlebnis ging es dann wieder zurück in das Schulungscenter der JWL, wo die letzten Interviews aufgenommen und der Zeitplan für morgen festgehalten wurde. Zum Abschluss noch ein verpflichtendes Bier und einen Cider (beide im Übrigen sehr zu empfehlen) und hier sitzen wir nun und schreiben diesen Eintrag. Mal sehen was der morgige Tag bereithält, wir sind jedenfalls genauso gespannt wie ihr hoffentlich.
Zum Abschluss noch fix unsere persönlichen Eindrücke:
JAN: Mein Highlight der letzten beiden Tage war definitiv die Vorschule. Für mich war sie eine Hochburg der Freude und Hoffnung inmitten dieser bedrückenden Stimmung, die ich überall im Lager empfinde. Gleichzeitig schmerzt es, diese jungen kleinen Gesichter zu sehen und nicht zu wissen, was aus ihnen mal wird und ob sich die Situation hier für sie jemals zum Besseren verändern wird.
Aber auch den Ehrgeiz zu erleben, den einige der Sportler an den Tag legen, ist inspirierend und bewundernswert zugleich.
FELIX: Nachdem ich die Bilder bearbeitet habe, wollte ich zuerst gar nichts schreiben… ich hätte geheult. Es sind so viele Eindrücke, dass einem gar keine Zeit bleibt irgendetwas auch nur im Ansatz zu verarbeiten. Die allabendlichen Bearbeitungssessions helfen mir etwas, den Tag Revue passieren zu lassen. Immer wieder sehe ich mich mit der Frage konfrontiert, ob wir, wie alle anderen, kurz hier sind und dann die Leute wieder ihrem Schicksal überlassen. Ich beantworte sie mit: ich hoffe nicht! Weiß aber, dass es vermutlich so kommen wird. Ich nehme mir fest vor, aus all diesen Eindrücken und dem Material, das wir hier sammeln, noch mehr zu machen als die Kurse die wir zusammen mit Karen und JWL entwickeln. Auch wenn ich fest daran glaube, dass alleine diese Kurse schon viel verändern können, möchte ich noch mehr geben. Hoffentlich werden all diese Gedanken nicht im Alltagsstress untergehen.
RAPHAELA: Mir fehlt die Zeit, das zu verarbeiten was ich sehe und empfinde. Alles, was ich im Moment sagen kann, ist: widersprüchlicher kann es nicht sein! In einem Moment denke ich, nichts wird helfen und im nächsten Moment denke ich wieder, wir und viele andere könnten diesem kleinen traurigen Fleck etwas Gutes tun. Gutes tun? Wie soll das aussehen? In dem wir Sachen mitbringen? Oder die Menschen hier mit dem versorgen, was sie brauchen? Oder können wir das, was JWL mit seinen Kursen vor hat verwirklichen, nämlich „Leader“ auszubilden, die wiederum helfen zu helfen. Das wird am Ende wirklich das einzige sein, was hilft! Ich bin auf alle Fälle wieder, wie schon vor 20 Jahren hier in Kenia, von den Menschen gefesselt.
Amazing and beautiful impressions of an experience that will forever be ingrained in your minds, which all three of you convey so wonderfully to those who are reading your blog. While not there with you, I truly can feel your emotion. Well done… although small, you are doing a great thing for those at the margins by documenting your trip in both word and picture. Big hug to you all.
Puh, ich sitze hier mit Gänsehaut, wenn ich das lese. Wahnsinn – mir fehlen die Worte. Sehr ergreifend was ihr da erlebt und wie ihr eure Eindrücke beschreibt. Hut ab!