Die Ferien sind vorbei, der Alltag hat uns wieder und auch die Fastenzeit ist vorbei. Viele haben während dieser Zeit freiwillig auf ETWAS verzichtet: Süßigkeiten, Alkohol, Fleisch, Kohlenhydrate oder Fernsehen – 40 Tage lang etwas nicht haben können, was man aber gerne hätte. Man betone „freiwillig“!
Aber wie wäre es, das alles und noch viel mehr nie haben zu können, nicht nach 40 Tagen und wahrscheinlich auch nicht in 40 Jahren. Viele Menschen auf dieser Welt haben nicht die Möglichkeit, freiwillig auf etwas zu verzichten, denn Sie müssen, weil sie keine andere Wahl haben. Durch Kriege und Hungersnot wurden vielen, die auf der Flucht sind, die Heimat genommen. Sie leben oft zu Tausenden an Orten wo keiner leben möchte, eingezäunt, in Zelten, in der Hitze oder Kälte unter katastrophalen Umständen. In den sogenannten Flüchtlingslagern.
Rund um den Globus sind sie verteilt, keines dieser Lager ist wie das andere und trotzdem haben sie eines gemeinsam: die Menschen, die hier leben, versuchen zu überleben. Aber woher nimmt man dazu die Kraft? Es ist die Hoffnung und der Glaube an das Gute.
Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, auch wenn du mittendrin sitzt im Nichts, all das Elend siehst, scheint es trotzdem nie aussichtslos. Viele Flüchtlinge, die wir auf den letzten Reisen in Kenia und Äthiopien kennengelernt haben, sind so wild entschlossen etwas zu ändern, und sie werden es ganz sicher schaffen, einen Weg aus der Not zu finden und dann als Vorbild viele weitere dazu motivieren, nicht den Mut zu verlieren, um das eigene Leben zu kämpfen.
Und das wird einer der Wege sein, um Kriege, Hungersnot und Machtgier auf dieser Welt zu stoppen – Vorbilder schaffen, Leader ausbilden, Wissen in die Welt tragen, egal in welches Eck. Und das Schöne ist, wir können, auch wenn es nur ein kleiner Beitrag ist, dabei helfen Bildung zu transportieren. Denn wir waren wieder mit Jesuit Worldwide Learning JWL auf Reisen. Letztes Ziel war Afrika, Kenia und Äthiopien, ein Erlebnis, das bleibende Eindrücke hinterlassen hat. Aber auch die Reise nach MiddleEast, oder naher Osten war prägend…
Mission: BILDUNG!
Auf dem Plan stand erst Jordanien, Amman und dann weiter über die Türkei nach Nordirak…
AMMAN – Tag 1 – 4
Als das JWL-Team komplett war, stellte ich fest, das wird fast ein „Mädchenausflug“. Ich stelle kurz vor:
Kopf von allem und männliche Verstärkung:
Pater Peter Balleis JS, Executive Director
und nun die ganzen Ladys:
Karen Instructional Designerin, Aufbau der Onlinekurse und deren Inhalte
Rania MiddleEast Operations Consultant
Barbara Dr. der Philosophie, Academic Operations Director Europe&MiddleEast
Magdalena Assistentin im Research-Team bleibt hier vier Monate
Raphaela von Seitwerk – einfach nur Multimedia
Wir waren wieder in den Flüchtlingslagern und Städten unterwegs, um Interviews aufzuzeichnen. Die Fotos und Videos, die wir in Kenia, Äthiopien und Middle East gesammelt haben, werden Inhalt der Studienkurse für die Flüchtlinge selbst.
Welche Kurse in den Lagern studiert werden können und wie das funktioniert – und ich betone: es funktioniert, wir haben es selbst gesehen – kann jeder, der will, hier nachlesen: jwl.org.
Aber starten wir doch einfach durch und begeben uns auf die Reise
erstes Ziel: Amman
Samstagnachmittag Abflug München – nach einem super Flug mit Royal Jordanien landeten wir am Abend im prunkvollen Flughafen von Amman.
Was noch zu sagen wäre an dieser Stelle: Jeder von uns hat an die 20 Tablets für die Studenten im Koffer, vergessen wir mal nicht die Kameras, Micro, Objektive, Stativ und Laptop…. Sind wir Touristen?… Na klar! Am Checkout in Amman erstmal bitte den (ach so gut vollgestopften) Koffer ausräumen…. Nach langem hin und her siegt der weibliche Charme und wir dürfen einreisen. Taxi – Hotel – Essen – Schlafen – und los geht’s.
Wir treffen die ersten Studenten im Computer-Lab in Amman. Alle begrüßen uns sehr freundlich und wie immer kommen die jungen Menschen von überall her.
Jeden Tag treffen sich hier die studierenden Flüchtlinge. Aber nicht nur zum Lernen, mittlerweile ist es auch ein Treffpunkt für junge Leute, wie eine zweite Familie oder sogar die ganze Familie. Denn viele sind ganz alleine hier in der jordanischen Hauptstadt. Das gleiche Schicksal schweißt zusammen, sie helfen gegeneinander, tauschen sich aus und haben so einen Ort, der sich für den Moment „sicher“ anfühlt.
Karen und ich wurden sogar von einer Familie Nachhause eingeladen. In einer kaum eingerichteten zwei Zimmerwohnung leben hier die Mutter mit ihren zwei Töchtern und den zwei Söhnen. Die Jungs schlafen auf dem Sofa im Wohnzimmer, die Mädchen mit der Mutter nebenan auf Matratzen auf dem Boden. Drei von ihnen studieren mittlerweile und zwar erfolgreich. Die Mutter ist überglücklich, dass ihre Kinder lernen dürfen, sie weiß, wie wichtig Bildung ist. Sie selbst war, bevor sie mit ihren Kindern flüchten musste, Pharma-Angestellte und hatte ein gutes Einkommen. Ihre Welt ist von heute auf morgen zusammengebrochen. Ein Zurück in die Heimat gibt es nicht. Ihre großen Narben an Bauch und Rücken, und ihre Angst erzählen eine Geschichte, warum es kein Zurück gibt. Die einzige Hoffnung sind nun ihre Kinder.
Natürlich nutzen wir auch die Zeit, den Studenten die Möglichkeit des online/offline Lernens näher zu bringen. Pater Balleis, der schon seit Jahrzehnten in der Flüchtlingshilfe unterwegs ist und besonders in Afrika viele Learning-Center aufgebaut hat, weiß, wie schwierig es ist, in die Schulen zu gelangen oder überhaupt an einen Computer zu kommen. Nun können Flüchtlinge mit einem Tablet auch zu Hause studieren. Das gibt den jungen Menschen die Chance, unabhängig von Zeit und Raum zu lernen. Für viele überhaupt ein Weg zu lernen.
Wie die Reise nach Istanbul – Sirnak und dann nach Nordirak – weiter geht und was wir hier alles erlebt haben, folgt im nächsten Teil!
Eure Raphaela